Es ist so: In Waldstatt steht ein Haus, das das Werk eines Mannes
beherbergt, der ein Werk
schuf, das bis heute, 20 Jahre nach seinem Tod, etwas mitzuteilen hat.
Im Vortrag wechselte ich mich mit Wolfgang Rothfahl ab: Er
ging den biografischen Spuren nach, ich ging auf Bilder und Fundstücke ein, die
wir in 20-Jahresintervallen ausgewählt hatten: 1914, 1934, 1954, 1974, 1994 –
das waren die Stichjahre.
Ich schrieb mit Materialien, die ich im Haus vorfand, Texte
zu den Bildern und Fundstücken. Es sind Bildbegegnungen, die mir beim Schreiben
die Augen öffneten. Nach der Lesung wurden die Texte in die Ausstellung
integriert.
Das Vorgehen habe ich in der Vorrede beschrieben:
„Letztens habe ich mich hingesetzt, ein grosses
Aquarellpapier genommen und es wissen wollen. Ich habe die Zeichenkohle
genommen und angefangen zu schreiben und zwar: „Jedes grosse Werk beginnt mit
einer Sünde.“
Die Sünde war: Ich
hatte einfach dieses kostbare Aquarellpapier genommen, vom Maler gehütet wie
ein Schatz, den Pack aufgerissen und zu schreiben begonnen. Mir war egal, was herauskommen würde: Vielleicht nur Lala
eine ganze A2-Seite lang, unbedeutendes Geschreibsel auf bedeutendem Papier,
das war mir egal, er hatte hier, in diesem Zimmer gemalt, und ich war gekommen,
hier um zu schreiben.
Und damit hatte der Ärger begonnen. Ich hatte gedankenlos
zugesagt, man macht ja immer gerne mal was für andere. Aber als ich mit dem
Stiftungspräsidenten in der Küche sass und Tee trank, da stieg der Ärger hoch.
Wieso nur, wieso nur hatte ich zugesagt – und:
Was war das für eine absurde Idee, den Tod eines Künstlers zu feiern,
was gibt es daran schon zu feiern? Was ist denn die Kunst am Sterben? Was an
einem Hinschied wäre denn zu loben?
Und dazu kam noch die
Tatsache, dass ich mich hier zu schaffen machte, in diesem streng riechenden
ehemaligen Atelier: in den Bergen wäre es schöner gewesen, im Alpstein, am
Seealpsee, bei den Forellen, den Tannen und Gemsen.
Aus dem dicken Pack fiel der Lieferschein für die
Aquarellbögen. Ich hob ihn vom durchgetretenen, mit Farbspritzern bedeckten
Linoleumboden auf: 300 Franken hatten die hundert Bögen gekostet, schon damals,
1973, als 300 Franken noch eine Monatsmiete für eine Wohnung waren.
Ich schrieb und liess mich ins Bild fallen.
Ich schrieb auf meinem Aquarellpapier gegen das Bild an und
meinen Ärger an und ich merkte, wie ich mich selbst in diesem Bild im Spiegel betrachtete: Auch ich war ja am
Stricken, an meinem Text, auch ich wirkte von Zeile zu Zeile an meinem Werk.
Auch ich schnurrte mit den Wörtern und Sätzen die ich aufs Blatt schrieb, und,
ja, mir wurde wohl bei diesem emsigen
Tun und machen und Wörter stricken.
Ich sah den listigen Kunstmaler vor mir, erinnerte mich an
seinen zwinkernden Blick und Schalk.
Ein rüstiger Berggänger mit Feldstecher und Skizzenblock im
Rucksack war er, einer, der in seinem Haus malte und malte und Zimmer für
Zimmer mit Satyren, Märchen, Clowns und Landschaften füllte, immer am
Malen und Stricken und Malen und Machen,
so sah ich ihn. Ich verstand seine Art
von Kunst, die sich am Machen am meisten freut, und vielleicht auch in der
Vorstellung, was die anderen einmal
sehen werden im Bild, wenn sie es betrachten. Und ich war jetzt einer dieser
Betrachter und die Lismerin hatte mich am Strick und ich musste dem Wollfaden
hinterher und emsig weiter schreiben.
Jedenfalls hatte ich recht gehabt: Der Pack hatte auf
gemusst.“